Agile Führung und disruptive Innovationen

fachbeitrag

Daimler und Airbus setzen darauf, die Softwarebranche nutzt es schon lange. Was ist dran an dem Trend aus dem Silicon Valley? Sind Agilität und Disruption Konzepte, die auch dem Mittelstand helfen?

Konzerne kopieren die Methoden aus dem Silicon Valley

Ganze Führungsriegen werden in das Silicon Valley chauffiert, um von Google, Facebook & Co. zu lernen. Sie entdecken dort einen neuen Führungsstil jenseits von Hierarchie und Zielfixierung.

So nimmt Zetsche die Gefahr ernst, von Google, Tesla oder anderen überrollt zu werden: „Wir wollen lieber Disruptor sein als Disruptierte“ sagt Daimler-Chef Zetsche der Wirtschaftswoche oder wie es Airbus Group-Chef Enders auf einer dld-Konferenz formuliert: „Wir wollen es nicht verpassen, die Zukunft des Fliegens zu erfinden“.

Die Konzerne gründen Innovationslabore, beteiligen sich an Start-ups und führen mit den Prinzipien der Agilität neue Formen der Führung ein. Sie wollen führende Spieler in ihrem Markt bleiben und auch ganz neue Märkte erobern.

Disruption – gefeiert und gefürchtet

Durch das von Clayton M. Christensen beschriebene Prinzip der disruptiven Innovationen ist beispielsweise der Beruf des Setzers ausgestorben, das MP3-Format hat die Schallplatte verdrängt, der Brockhaus verlor gegen Wikipedia und die Folgen von Paypal und anderen FinTechs ist für die Finanzindustrie nicht absehbar. Industrie 4.0, Digitalisierung oder der 3D-Druck werden weitere Disruptionen hervorbringen, die Produkte, Dienstleitungen und damit ganze Geschäftsfelder obsolet machen.

Disruptive Innovationen entstehen selten aus der Routine. Es braucht eine konsequentes Chancenmanagement. Unternehmen müssen kontinuierlich Chancen erzeugen, Chancen erkennen, aus Scheitern lernen und mit Beharrlichkeit, Neugier und letztlich auch Zufall Neues in die Welt bringen. Und gerade das ist neben dem Kerngeschäft oft nicht leicht.

Agile Führung – eine wichtige Erweiterung

Die Softwarebranche lebt agile Methoden mit dem von Ken Schwaber und Jeff Sutherland definierten Scrum vor. Projekte werden nicht komplett durchgeplant, sondern in wöchentlichen oder monatlichen Sprints und täglichen sogenannten Scrum-Meetings gesteuert. Jeder Sprint liefert ein anwendbares Zwischenergebnis, aus dem man Wertvolles lernen kann. Das von Hasso Plattner geförderte Konzept des Design-Thinking ist eine etablierte Methode, die mit Prototyping arbeitet, wodurch ebenfalls sehr früh konkrete Erfahrungen in das Projekt einfließen können.

Ziel der agilen Methoden ist der kreative und flexible Umgang mit den Unwägbarkeiten komplexer Systeme. Wann immer Sie Innovationen vorantreiben wollen, seien es neue Produkte, Marketingstrategien, Vertriebswege oder Organisationsformen – all diese Projekte sind komplex und unberechenbar. Deshalb eignen sich die agilen Ansätze gerade in diesen Bereichen besonders gut.

Dass sich auch die Art der Zusammenarbeit dabei weiterentwickelt liegt auf der Hand. Risiken eingehen, Scheitern akzeptieren, täglich dazulernen braucht eine offene, vertrauensvolle und wertschätzende Kommunikation jenseits von Kontrolle, Ansage und Befehl.

Schritt für Schritt zu mehr Agilität

Den einen Mittelstand gibt es nicht. Viele Unternehmen sind die Innovationstreiber der Republik und haben längst ihre Methoden entwickelt, um vorne mitzuspielen und Märkte zu revolutionieren. Wer aber auf dem bestehenden Geschäftsmodell ausruht ist gut beraten, disruptive Ansätze und agile Methoden anzuwenden.

Es braucht besondere Anstrengungen, um neben dem laufenden Geschäft Innovationsräume zu schaffen. Und es reicht nicht, gute Ideen zu produzieren. Sonst geht es einem wie Kodak, dem Erfinder der Digitalfotographie, der den Anfangsvorteil nicht nutzen konnte.

Nutzen Sie also in Ihrem Unternehmen mit agilen Methoden die Vorteile der konstruktiven Kommunikation, der flexiblen Projektplanung und des konsequenten Chancenmanagements. Wenn Sie folgende Tipps beachten, können Sie in Ihrem Unternehmen in kleinen, aber nachhaltigen Schritten die Innovationskultur fördern:

Tipps:

  1. Fangen Sie klein an und probieren Sie die neuen Methoden aus – kopierte Patentrezepte passen in der Regel nicht, wirken aufgesetzt und führen zu Widerstand
  2. Beteiligen Sie Menschen Ihres Unternehmens, die sich freiwillig für ein Pilotprojekt melden – die Veränderung in der Zusammenarbeit geht nicht mit der Brechstange, sondern durch schnelle kleine Erfolge, die dann auch andere neugierig machen
  3. Teilen Sie offen Ihre guten und schlechten Erfahrungen im Unternehmen. Was lief gut? Wo wollen wir etwas verändern? – übertriebene Erfolgsstories sind kontraproduktiv und vor allem gar nicht notwendig
  4. Achten Sie auf wertschätzende Kommunikation in der Zusammenarbeit und nutzen Sie offene Feedbacks, gerade wenn die Erwartungen nicht eintreten – Kontrolle und Zielerreichungsfokus zerstören die Innovationskraft und Lust auf Neues
  5. Stellen Sie in einem für ihr Unternehmen passenden Maße Zeit und Geld zur Verfügung und schaffen Sie Spielräume – ohne eine Mindestinvestition ersticken Sie die Initiative im Keim
  6. Arbeiten Sie nicht gegen Ihre bewährten und tradierten Arbeitsweisen, sondern bieten Sie Ergänzungen an – ein Kampf zwischen alt und neu spaltet das Unternehmen

Über den Autor

Dr. Jens Braak ist Physiker, Autor, Coach und Unternehmensberater. Mit seinem Buch „Zufallstreffer – Vom erfolgreichen Umgang mit dem Unplanbaren“ hat Jens Braak sich als Pionier des professionellen Chancenmanagements einen Namen gemacht. Unternehmen sind mit dem von ihm entwickelten Tool Innonamics® in der Lage, die Qualität ihrer Innovationskultur zu messen und Stärken und Entwicklungsfelder zu identifizieren.

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